Referenz

Müller, T., Giesa, H.-G., Anders, G. (2000):
"Arbeitswissenschaftliche Evaluierung von Data-Link Kommunikation im Cockpit",
In: GfA Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (Hrsg.): "Komplexe Arbeitssysteme - Herausforderung für Analyse und Gestaltung" (S. 687 - 694), 46. Arbeitswissenschaftlicher Kongreß der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, 15. - 18. März 2000, Technische Universität Berlin, Dortmund: GfA Press.

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Überblick

Arbeitswissenschaftliche Evaluierung von Data-Link Kommunikation im Cockpit

(Zusammenfassung:) Die beständige Zunahme des Flugverkehrs macht es erforderlich, die begrenzte Ressource ‘Luftraum’ effektiver zu nutzen. In einem an der TU Berlin verfolgten ATM-Konzept werden Sektorlotsen durch einen für mehrere Radarsektoren zuständigen sog. Multi-Sektor-Planer unterstützt, der mit einem Planungshorizont von ca. einer halben Stunde Konflikte im Vorfeld löst; damit verringert sich die Konfliktdichte (d.h. die Anzahl der Konflikte pro Luftfahrzeug) und somit auch die Eingriffsdichte für die Sektorlotsen. Grundlage der Arbeit des Multi-Sektor-Planers ist die computergestützte Berechnung der zukünftigen Flugwege (Trajektorien) der Luftfahrzeuge. Voraussetzung dafür ist eine stetige Aktualisierung der Flugdatenbank. Dies erfordert zum einen die Übermittlung der aktuellen Positionen der Luftfahrzeuge an die Flugsicherung, zum anderen der zukünftigen Manöver von Luftfahrzeugen, die sich beispielsweise aus kurzfristigen Anweisungen der Sektorlotsen zur Konfliktentflechtung ergeben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Kommunikation zwischen Cockpit und bodenseitiger Flugsicherung nicht mehr über Sprechfunk abzuwickeln, sondern (in rechnerkompatibler Form) über einen digitalen Data-Link. Wichtigstes Instrument des Multi-Sektor-Lotsen zur längerfristigen Konfliktvermeidung sind Flugplanverhandlungen, d.h. er verhandelt mit den zuständigen Sektorlotsen und den Piloten über alternative Flugpläne, durch die ein konfliktfreies Durchfliegen des Luftraums erreicht werden soll.

Für die Piloten ergeben sich daraus einige bedeutsame Veränderungen ihrer Aufgaben und Arbeitsabläufe: Mit dem Multi-Sektor-Planer tritt ein weiterer Kommunikationspartner hinzu und das konventionelle Kommunikationsmedium Sprech­funk wird durch Bildschirm und Tastatur abgelöst. Dadurch kommt es zu einer Verlagerung vom auditiven auf den (schon hoch bean­spruchten) visuellen Kanal. Weiterhin entfällt das Mithören des Sprechfunkverkehrs der anderen Luftfahrzeuge im gleichen Sektor (sog. Party-Line), welches Informationen über den umgebenden Verkehr liefert.

Im Rahmen des hier vorgestellten Projekts wurde eine Kommunikationsschnittstelle für das Cockpit des Airbus A340 entwic­kelt, die eine Erweiterung der Funktionalitäten des Navigation Displays (ND) und der Multipurpose Control and Display Unit (MCDU) umfaßt sowie entsprechende Kommunikationsprozeduren.

Eine Evaluation des Gesamtsystems aus Data-Link-Kommunikation und Multisektorplanung fand im Rahmen einer Ver­suchs­reihe statt. Dazu stand der A340 Full Flight Trainings- und Forschungssimulator des Zentrums für Flugsimulation Berlin (ZFB) zur Verfügung. In realitätsnahen Flugszenarien wurden das Kommunikationsmedium und die Arbeitsbelastung im Strec­kenflug systematisch variiert und verschiedene Beanspruchungsparameter (Nasa Task Load Index, physiologische Messungen) sowie weitere Beurteilungsgrößen erhoben. Als Versuchspersonen dienten Berufspiloten (Captains und First Officers) mit Airbus Type Rating.

Die Ergebnisse lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß das Gesamtkonzept und dessen Komponenten von den Piloten positiv beurteilt werden. Data-Link-Kommunikation führt in den Versuchen insgesamt zu etwas höheren Beanspruchun­gen; die Beanspruchungszunahme liegt allerdings in der gleichen Größenordnung, wie Beanspruchungserhöhungen durch schwierigere, aber im Routinebereich bleibende Flugsituationen. Berücksichtigt man, daß das Kommunikationsmedium und das ATM-Konzept für die Piloten neu sind, stellen die Ergebnisse eine „worst-case“ Abschätzung dar, so daß die hier realisierte Data-Link-Kommu­nikation im Streckenflug unter Beanspruchungsgesichtspunkten als unproblematisch eingestuft werden kann.

Last Update: 01.11.01 by webmaster@geerdanders.de